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Keynote der Preisverleihung des Global Peace Photo Award 2024

Zum zwölften Mal wurden am 23.September 2024 in Wien die Gewinner:innen des internationalen Fotowettbewerbs Global Peace Photo Award im Österreichischen Parlament mit der Alfred-Fried-Friedensmedaille ausgezeichnet. Die Keynote des Abends hielt Rosa Logar, Gründungsmitglied von WILPF- Women’s International League for Peace and Freedom Austria.

Warum wir den Frieden ins Bild rücken müssen 

Rosa Logar

Sehr geehrte Abgeordnete des Parlaments, sehr geehrte PreisträgerInnen, sehr geehrte Initiatorinnen des Preises, und sehr geehrte Festgästinnen und Festgäste,

ich freue mich sehr heute bei der Verleihung des Global Peace Photo Award 2024 zu Ihnen sprechen zu dürfen und danke für die Einladung. 

„Warum wir den Frieden ins Bild rücken müssen“ ist der Titel meiner Rede. 

Wir müssen es tun, um dem Thema Frieden Raum zu geben und friedlichen Entwicklungen eine Chance. Denn, wie die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz in ihrem Handbuch gegen den Krieg schreibt, erfahren wir immer nur von den Kriegshandelnden. Von Vorgängen und Maßnahmen, die dem Frieden dienen, hören wir wenig. „Von Frieden wissen wir nichts. Von Frieden erfahren wir nicht. Frieden lernen wir nicht. Krieg ist das einzig berichtete Ereignis in unserem Geschichtsverständnis“, stellt Streeruwitz fest. 

Der Global Peace Photo Award ist ein Gegenpol zu der Dominanz des Kriegerischen. Das schon seit über zehn Jahren bestehende Kunstprojekt widmet sich bewusst dem Thema Frieden und stellt die Frage, was für uns Menschen, für uns Frauen, Frieden ist, in den Mittelpunkt. „Prämiert werden die Fotos, die am besten ausdrücken, dass unsere Zukunft in friedlichem Zusammenleben liegt“, heißt es auf der Webseite des Award. 

Die eingesandten Bilder zeigen verschiedene Facetten und Bedeutungen des Begriffs und stellen das Mensch-sein in den Mittelpunkt. Sie zeigen die Erfolge im Streben nach Menschlichkeit und das Überwinden von Hürden in schwierigen Situationen. Sie setzen das Miteinander der Menschen, das Mitgefühl füreinander und die Solidarität ins Bild. Die Fotos stellen auch die Widersprüche, Spannungen und Konflikte in unseren Gesellschaften dar, als Ermutigung, damit konstruktiv umzugehen. Es ist ein Menschenrecht, so die Philosophie des Preises, die Schönheiten des Lebens zu erfahren und zu genießen.

Sie könnten meinen, meine Ausführungen würden reichlich lieblich klingen, ja geradezu kitschig. Oder zumindest naiv und unrealistisch. Ich kann Ihnen sagen, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn Sie das so empfinden. Es gehört leider zu unseren Gesellschaften, dass wir Konkurrenz, Konflikte und Kampf um Macht und Ressourcen gewohnt sind und uns gar nicht bewusst ist, wie sehr wir durch die Dominanz des Negativen geprägt sind. Wir zucken nicht zusammen oder protestieren, wenn wir hören, dass wir „kriegstauglich“ werden sollen. Und kaum einmal haben wir PolitikerInnen gehört, die uns ermutigen „friedenstauglich“ zu werden und die uns dafür die notwendigen Ressourcen bereitstellen. Wenn jemand es wagt sich als PazifistIn zu outen und sich für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen einzusetzen, im Krieg gegen die Ukraine zum Beispiel, begegnet ihr oder ihm nicht selten ein Schwall von Aggression.  

Zu viel Gutes zu wollen oder zu tun gilt leicht als peinlich. Oder als dumm. Darum ist „Gutmensch“ ein Schimpfwort, leider. Menschen, die sich für die Menschenrechte aller einsetzen und für die ethische Grundsätze wichtig sind, werden leicht als „Gutmenschen“ abgetan. Das sind zum Beispiel Menschen, die helfen zu verhindern, dass Kinder, die länger in Österreich leben, abgeschoben werden. Oder Menschen, die sich dafür einsetzen, dass Flüchtende nicht im Mittelmeer ertrinken müssen, sondern gerettet werden. Oder Menschen, die protestieren, wenn Personen, die anderen helfen oder die Umwelt schützen, kriminalisiert werden. Menschen, die sich ihre Menschlichkeit nicht nehmen lassen und darauf bestehen menschlich zu handeln. 

Ja, wir dürfen, wir können und sollen Gutmenschen sein. Und wir dürfen auch darauf bestehen, dass Frieden mit friedlichen Mitteln geschaffen wird, und nicht mit Waffen und Bomben. 

Es ist schön und ermutigend zu sehen, wie viele PhotographInnen am Global Peace Photo Award 2024 teilgenommen haben. 21.220 Einsendungen aus 134 Ländern sind ein deutliches Zeichen für den Frieden. Dass die meisten Einsendungen aus Indien, Deutschland, Russland, Iran und den USA kommen, betont die globale Reichweite des Preises. 

Wenn wir das Licht und das Schöne im Leben sehen und genießen wollen, müssen wir uns auch mit den Schattenseiten beschäftigen, die leider wieder an gesellschaftlicher Kraft gewonnen haben. Verletzungen des Völkerrechts und des humanitären Rechts durch Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen schwächen die Autorität unserer internationalen Rechtsordnung. Klimakatastrophen, die häufig von reichen Ländern verursacht werden und unter denen Länder des globalen Südens am meisten leiden, nehmen zu und Angriffe auf Frauenrechte sind international im Anstieg. 

„Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren”, heißt es im Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Dies bedeutet auch „Alle Frauen sind frei und gleich an Rechten geboren“. Dieser ethische Grundsatz gehört zu den Grundrechten  der Vereinten Nationen mit den 193 Mitgliedstaaten.  Diese Grundrechte sind keine „westlichen“ Werte, sie sind universelle Werte, die überall auf der Welt gelten. Und sie gelten für ALLE Personen, die in einem Land leben, unabhängig davon, woher sie kommen und welche Staatsbürgerschaft sie haben. 

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurden nicht zufällig 1948 nach den furchtbaren Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges von den Vereinten Nationen angenommen. Die Charta der Vereinten Nationen, das Gründungsdokument von 1945,  beginnt mit den Worten  Wir, die Völker der Vereinten Nationen  (sind) fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat.“

Am Vernichtungskrieg des mörderischen Regimes des Nationalsozialismus war Österreich leider maßgeblich beteiligt. Die Folgen dieses Krieges beschäftigen uns heute noch, in Europa wie in anderen Regionen, zum Beispiel in Palästina und Israel sowie in der Ukraine. Das heutige Österreich trägt keine Schuld an den unbeschreiblichen Schreckenstaten der Nationalsozialisten, aber wir tragen Verantwortung für die Beseitigung der Folgen und dafür, dass wir faschistische Entwicklungen nicht wieder zulassen. Verantwortung dafür, dass wir uns mit aller Kraft und allen uns zur Verfügung stehenden Ressourcen für Demokratie, Frauen- und Menschenrechte, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. 

Das ist dringend notwendig, denn die Feinde unserer Demokratien kommen nicht nur von außen, sie kommen auch von innen und sind „hausgemacht“. Wir können die Ursachen nicht auf Troll-Frabriken in anderen Ländern schieben und wir können diese Feinde nicht mit Panzern und Raketen bekämpfen, sondern mit Wachsamkeit, Aufklärung, Bildung und mit sozialen und ökonomischen Maßnahmen. Wir müssen anerkennen, dass es in unseren Gesellschaften Mechanismen gibt, die bedrohlich und destruktiv sind. Und damit ist nicht die Zuwanderung von Menschen gemeint, die vor Gewalt, Hunger und Klimakatastrophen flüchten, sondern  Profitgier, Macht- und Dominanzstreben,  Ausbeutung von Menschen und Natur sowie Intoleranz und Gleichgültigkeit. 

„Kriege hat es immer gegeben und wird es immer geben“, dieser Satz ist oft zu hören. Doch es gibt auch viele Menschen, die sich dem Diktat dieses Satzes nicht beugen. Dazu gehören auch die Aktivistinnen der Frauenfriedensbewegung für die ich tätig bin, Women’s International League for Peace and Freedom, die Frauenliga für Frieden und Freiheit, kurz WILPF. WILPF wurde 1915, mitten im Ersten Weltkrieg gegründet. Über tausend Frauen „verfeindeter“ Staaten kamen in Den Haag zusammen und forderten die sofortige Beendigung des Krieges. Sie sahen das imperialistische Machtstreben als Ursache des Krieges und forderten unter anderem, dass mit Waffenerzeugung und Waffenhandel keine privaten Profite gemacht werden dürfen, da dies Kriege befeuert.  Diese Forderungen sind auch heute noch gültig.

Doch auf die Warnungen der Frauen wurde nicht gehört, damals nicht, und auch heute oft nicht, denn wir leben nach wie vor in patriarchal geprägten Gesellschaften. Auch wenn manche in Europa meinen, Frauen seien in ihren Ländern schon gleichberechtigt, so sprechen die Fakten dagegen: das Ausmaß von Gewalt an Frauen und Mädchen ist in allen europäischen Ländern noch hoch. Jede 3. bis jede 5. Frau ist davon betroffen, in allen Bereichen der Gesellschaft, in der Familie, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum und auch in Parlamenten erleben Frauen Belästigungen und Diskriminierungen, weil sie Frauen sind. Femizide, Tötungen von Frauen, gehören leider auch in Österreich zum Alltag. 

Krieg und Militarismus sind die schlimmsten Ausformungen patriarchaler Macht. Patriarchale Systeme dominieren nicht nur Frauen und Mädchen, sondern auch andere Gruppen von Menschen, die aufgrund ihrer Rasse, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und Herkunft oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminiert werden. 

Leider befinden wir uns in einer Zeit der enormen militärischen Aufrüstung. Laut Statistik des schwedischen Forschungsinstituts SIPRI betrugen die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2023 

2.4 Billionen Dollar. Das sind 2.443 Milliarden Dollar. Es ist schwer sich vorzustellen, wie viel Geld das ist, aber um ein Beispiel zu geben: Damit könnte die Arbeit der Vereinten Nationen ungefähr 670 Jahre lang finanziert werden. Oder die Arbeit der Frauenorganisation der Vereinten Nationen, UN Women, für 6700 Jahre. Dies sind unvorstellbare Summen von Geld, die uns fehlen, wenn es um die Bekämpfung von Hunger in der Welt geht, um die Sicherung der Gesundheitsversorgung, Bildung und den Klimaschutz. 

„Ja aber wir müssen uns doch verteidigen können“ ist das Argument, das oft zu hören ist, wenn Menschen Besorgnis über den Anstieg von Militärausgaben äußern. Wir müssen unsere Werte verteidigen, gegen feindliche Übergriffe. Bei Verteidigung ist dabei praktisch immer militärische Verteidigung gemeint. Diplomatische und zivilgesellschaftliche Initiativen werden kaum finanziert. „The world is oberarmed and peace is underfunded“ sagte der ehemalige UN Generalsekretär Ban Ki-moon. Der Frieden ist unterfinanziert, in der Tat. So hat etwa die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die OSCE, die ihren Sitz in Wien hat, nur ein Jahresbudget von ca. 180 Millionen Euro. Die OSCE wurde gegründet, um eine Europäische Sicherheitsarchitektur zwischen den Blöcken zu schaffen und den Frieden zu sichern. Doch wie soll dies mit den geringen Mitteln zu schaffen sein?

Es ist bestürzend, dass auch die Europäische Union vor allem auf militärische Verteidigung setzt. Stimmen in der Union meinen, die Verteidigungsausgaben müssten in den nächsten Jahren auf 500 Milliarden ausgeweitet und eine europäische Rüstungsindustrie aufgebaut werden. Es wird den Menschen vermittelt, dass es keinen anderen Weg gibt. 

Doch das dürfen wir nicht glauben. Warum sollte es im 21. Jahrhundert keinen anderen Weg geben, als Länder zu Feinden zu erklären und sich aufzurüsten, um diese zu vernichten oder der Vernichtung durch sie zu entgehen? Warum wurde ein Atomwaffenarsenal angeschafft, mit dem die Welt zig-mal ausgelöscht werden kann, um „Feinde“ abzuschrecken? Welche Botschaft senden wir mit dieser Strategie der „Abschreckung“ und der gegenseitig zugesicherten Zerstörung?  —

Stellen wir uns vor wir würden weltweit 2000 Milliarden Euro für gewaltfreie Initiativen zur Verfügung haben, für die Beseitigung der Ursachen von Kriegen, für Entwicklung für Völkerverständigung und Solidarität. Ich bin überzeugt hunderttausende Menschen würden ihre Kreativität, ihr Engagement und ihre Solidarität einsetzen, um Konflikten mit friedlichen Mitteln zu begegnen und Auswege aus der Gewalt zu finden. 

Auch in Österreich haben die Militärausgaben sehr zugenommen und die Investitionen in Friedensinitiativen sind praktisch nicht existent. Daher fordert WILPF Austria als ersten Schritt die Bereitstellung von 500 Millionen Euro und ein Friedensministerium, damit überhaupt eine Friedenspolitik entwickelt werden kann, denn für den Frieden gibt es derzeit keine Zuständigkeit. 

500 Millionen Euro hat die Erneuerung der Panzerflotte in Österreich im Jahr 2023 gekostet, und ebenso viel sollte uns zumindest die Friedensarbeit wert sein. 

Was ich Ihnen sage, mag naiv und idealistisch klingen. Es ist auch idealistisch, aber niemals naiv. Denn sich gegen die massenhafte Tötung von Menschen, gegen die Zerstörung von Infrastruktur und Natur und  für ein gutes Leben für ALLE Menschen einzusetzen darf nicht als naiv abqualifiziert und diskreditiert werden. Es ist vielmehr die Aufgabe der Politik. 

Lassen Sie mich abschließen mit einem Zitat unserer Kolleginnen von WILPF Norwegen zur Frage, was Krieg ist:

Krieg ist, wenn

  • Bomben, die je 100.000 Dollar kosten
  • von Kampfflugzeugen abgeworfen werden, die 100 Millionen Dollar kosten
  • und 40.000 Dollar für jede Stunde, in der sie im Einsatz sind
  • um Menschen zu töten, die häufig von einem Dollar pro Tag leben.
  • Das ist Krieg.

Kriege werden nicht von Menschen gemacht, sondern von Mächten. 

Ich gratuliere den Preisträgerinnen recht herzlich, und danken ihnen nochmals dafür, dass sie mit ihren Werken zeigen, dass Frieden möglich ist und Kriege ausweichlich. 

„Frieden ist ein anderes Wort für Gerechtigkeit“, wie die Autorin Malene Streeruwitz sagt. 

„Frieden ist leben“. 

Sorgen wir gemeinsam weiter dafür, den Frieden ins Bild zu rücken. 

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